GABI DZIUBA

GABI DZIUBA

"WIE GEHT'S" "GUT, UND DIR?"

 

Austellungstext:

CALDO präsentiert das gemeinsame Projekt mit Schmuckkünstlerin Gabi Dziuba.

Die in Berlin lebende Gabi Dziuba steht für ein gestalterisches Konzept, das zeitgenössische Sujets und hochwertige Materialien verbindet und diese zu tragbaren Kunstgegenständen erhebt.

Die CALDO Edition „WIE GEHT’S?“ „GUT, UND DIR?“ umfasst einen handgefertigten Armreif aus Silber und widmet sich konzeptionell der Mehrdeutigkeit einer omnipräsenten Äußerung, die sich im Spannungsfeld zwischen Plattitüde und Eisbrecher bewegt.


Exhibition text

GABI DZIUBA X CALDO

“WIE GEHT’S?” “GUT, UND DIR?” [engl.: “How are you?” “I am well, and you?”]

CALDO presents a new collaboration with jewellery artist Gabi Dziuba. The Berlin-based artist joins contemporary subjects with high-quality materials and elevates them into wearable works of art.

The CALDO edition “WIE GEHT’S?” “GUT, UND DIR?” comprised of a handmade silver bracelet and conceptually addresses the ambiguity of an omnipresent expression, which is positioned somewhere between a platitude and an icebreaker.

Text von / by Luise Arndt


DEN ARMREIF GIBT ES HIER ZU KAUFEN

YOU CAN BUY THE BRACELET HERE


 

Photos / video by Daniel Mayer
Idea and concept by Christina Mayer


FÜR WEN? FÜR ALLE

Interview mit der Schmuckkünstlerin Gabi Dziuba anlässlich der Kollaboration GABI DZIUBA x CALDO "WIE GEHT'S?" "GUT, UND DIR?"

Interview geführt von Annabelle Ferlings im Januar 2022

Scroll down for the english version

 

Wie geht’s?

Gut, und Dir ?

Wie würdest du deine Werke beschreiben? Roh oder verspielt? Klassisch oder modern?
(Ich finde sie zeitlos) Für wen ist deine Kunst, hat jeder einen Zugang?

Du Findest sie zeitlos? Vielleicht weil ich mich mit der Zeit in der ich lebe, bewusst auseinandersetze.

Günther Förg sagte: „Der Martin Kippenberger und Du, ihr habt ein Gespür, der Zeit immer ein bisschen voraus zu sein“.

Für wen? Für alle. 

Klassisch - modern er muss „tragbar“ sein + nicht zu laut - möchte keine tragbaren Kunstwerke machen. Aber vielleicht eine kleine Botschaft senden.

Wie meine Ohrringe „OH“ - links ein O rechts ein H - ganz klassische Ohrhänger + wenn jemand die Person anschaut, liest sie von links nach rechts OOOHHHHH. Dazwischen ist das Gesicht, der Kopf, die Haare, die Augen, der Mund, das Gesicht, der Kopf. OOOOHHHHH. Die Buchstabenform ist Rocky Horror Picture Show. Komischerweise können es viele nicht lesen.

Ich liebe Buchstaben, auch wenn sie fließen, schmelzen oder tropfen. Hab’ aber keinen Lieblings Typ.

Alle haben Zugang. In Berlin habe ich eine Werkstatt mit einem Showroom von Heimo Zobernig konzipiert in der Rosa-Luxemburg- Str. 25!

Falls ich nicht da bin, hängt eine Telefonnummer an der Tür wie bei Holly Golightly (Frühstück bei Tiffany) + Instagram „dziubajewels“.

Bevorzugst Du die Arbeit alleine oder arbeitest du auch mit andern Künstlerinnen und Künstlern?

Ich arbeite gerne alleine, bin auch gerne alleine - aber es ist spannend, mit jemandem zusammenzuarbeiten, mich interessiert, wie andere denken, was sie sagen, was sie gerne essen. Ob sie mit dem Fahrrad nach Usbekistan fahren und warum. Das bereichert mich.

Die Würde des Menschen ist unantastbar... Eine deiner ersten Gravuren, so essenziell und wichtig. Dieses Grundgesetz sollte allgegenwärtig und verinnerlicht sein. Täglich wird dieses Gesetz gebrochen. Glaubst du, Schmuck könnte uns an solche Werte im Alltag erinnern? Sollten wir vielleicht alle diesen Armreif tragen?

In den Vereinigten Staaten hat fast jeder eine Knarre in der Tasche + ich dachte so ein Armreif wäre auch nicht schlecht. Heute wird Respekt gefordert. Ich mag die Idee dieses Grundrecht am Arm zu tragen, könnte auch tätowiert sein, ist universell, betrifft jeden, braucht kein Gender Sternchen.

Deine Zeilen sind Statements ähnlich wie Tattoos...siehst du hier Gemeinsamkeiten?

Wie stehst du zu Tattoos?

Ich mag Tattoos, hätte auch gern eins oder zwei oder mehrere, aber kann mich nicht entscheiden. Nachdem meine Mutter gestorben ist, war ich mit meinem Vater auf Guadeloupe in Ferien. Er hat mir hauchdünne, feingearbeitete goldene Kreolen geschenkt; die wollte ich eigentlich nicht tragen. Dann ist auch mein Vater gestorben. Ich habe die Kreolen angezogen und nur noch zum Schlafen abgelegt + auch nicht immer. Irgendwann hab ich einen verloren in der Disco. Aber mit einem Ohrring wollte ich nicht herumlaufen, also hab ich mir einen Ersatz gemacht, gleiche Größe - nur die feinen Rillen + Verzierungen konnte ich nicht, und auch das Goldblech war nicht so dünn. Irgendwann war der 2. Creole auch weg, dann hab ich mir noch einen gemacht. Diese „Ersatzcreolen“ habe ich bestimmt 35 Jahre täglich getragen. Seit Corona nicht mehr.

Du hast gesagt, als du damals Hausarrest bekommen hast, wäre es kontraproduktiv, dann zu lernen. Stattdessen hast du Musik gehört, Jimmy Hendrix, The Doors usw., diese Zeilen sind nun Teil von einigen deiner Werke! Würdest du sagen, dass Rebellion ein Teil deiner Arbeit ist? Daß Rebellion produktiv ist?

Unbedingt (ja)

„The scream of the Butterfly“ ist eine Lieblingszeile, weil der Satz so gegensätzlich ist und besonders: Wer hat schon mal einen Schmetterling schreien hören? Wenn jemand etwas von dir gravieren lässt, möchtest du dann gerne überrascht werden bzw. findest du Sprüche besser, die eine Eigenleistung vom Betrachter erwarten? Eine Interpretation ... Ironie?

Robbie Williams hat „Chacun a son Goût“ als Halskette tätowiert.

Was waren deine ersten Gedanken zu dem Spruch: „Wie geht’s? Gut, und dir?“ Wir haben darüber gesprochen, dass viele Menschen diesen Spruch nutzen ohne wirklich zuzuhören, oft einen Monolog führen und nicht wirklich auf andere Personen eingehen oder gar Interesse daran haben, zu wissen wie es jemandem geht.

Du hast dazu auch einen Spruch genannt, der einige Erlebnisse von Ausstellungseröffnungen zusammenfasst ‘Hi and Bye’ - stört dich diese Attitüde? Wie könnte man sich anders begegnen? Brauchen wir neue Sprache/ Ausdrücke?

Vielleicht?       

Du hast die Stahlstempel, die du nutzt, als Handwerk mit dem Buchdruck oder einer Schreibmaschine verglichen. Du setzt jeden Buchstaben einzeln, die Buchstaben schwanken daher und jeder Armreif ist ein Unikat. Aber du kannst dich auch verschreiben: Du hast mal Wiege statt Liebe in das Silber gehauen. Was passiert dann mit dem Reifen? Ärgerst du dich dann oder nimmst du das mit Humor?

Das hängt auch vom Spruch ab, von dem der ihn möchte + wie sehr ich mich verschreibe. „Vergesse nie die Wiege“ war unrettbar. Vera, eine Freundin, fand das so lustig, dass ich ihr den Armreif zum Geburtstag geschenkt habe.

Wie verändert sich deine Arbeit und Kunst im Laufe der Zeit? Vor wie vielen Jahren hast du deinen ersten Armreif gemacht und was hat sich seitdem geändert? Benutzt du immer die gleichen Materialien? Was macht dir am meisten Spaß, was nervt?  

Das Material, Silber oder Gold, bleibt gleich.

Schön ist das Reinschlagen, wie die Buchstaben tanzen, die Konzentration, ein Wort aus einzelnen Buchstaben mit Punzen + Hammer in Metall zu schlagen, ist etwas ganz anderes als Schreiben. Man kann den Buchstaben korrigieren, wenn er zu stark nach links oder rechts kippt, aber nicht nach oben oder unten, einmal geklopft ist er drin + nach jedem Buchstaben schaut man wie er geworden ist. Ich unterhalte mich sozusagen mit jedem Buchstaben.

 

FOR WHOM? FOR EVERYONE

Interview with Gabi Dziuba on the occasion of the new collaboration GABI DZIUBA X CALDO, "WIE GEHT'S?" "GUT, UND DIR?" comprised of a handmade silver bracelet


Interview by Annabelle Ferlings, Jan 2022
(Translated by Tiffany Peach)

 

Wie gehts?

Gut, und Dir ?

How are you?

I am well, and you?

How would you describe your work? Rough or playful? Classic or contemporary? (I believe it is timeless) Who is your art for? Is it accessible to everyone?

You think it is timeless? Maybe that is because I consciously deal with the times we are living in. Günther Förg once said: “Martin Kippenberger and you, you two are always a bit ahead of your time”.

For whom? For everyone.

Classic-contemporary, it has to be portable + not too loud – I don’t want to make portable art. But maybe I would like to send a little message. Just like my earrings: “OH” – on the left an O and on the right an H – typical earrings + when someone looks at them they see OHHHHHH from left to right. In between is the face, the head, the hair, the eyes, the mouth, the face, the head. OOOOOHHHH. The font is from Rocky Horror Picture Show. Strangely, only a few people can read it. I love letters, even when they flow, melt, or drip. But I don’t have a favourite. It is accessible for everyone. I designed a workshop together with a showroom by Heimo Zobernig in Berlin, in Rosa-Luxemburg St. 25! In case I am not there, there is a phone on the wall next to the door just like the one from Holly Golightly (Breakfast at Tiffany’s) + Instagram „dziubajewels“.

Do you prefer to work alone, or do you sometimes collaborate with other artists?

I love to work alone, and to be alone – but it is exciting to collaborate, I want to know how others think, what they say, what they like to eat. If they ride their bike to Uzbekistan and why. It teaches me a lot.

Human dignity is inviolable… One of your first engravings, so essential and important. This constitutional law should be internalized and adhered to everywhere. Yet it is broken every day. Do you think jewelry can remind us of these values in our everyday life? Should we maybe all be wearing this bracelet?

In the United States almost everyone carries a gun in their bag + I thought a bracelet like this wouldn’t be so bad either. Today we demand respect. I like the idea of wearing this constitutional law on your wrist, it is so universal it could be a tattoo, it affects everyone, does not require a gender (or pronouns).

Your lines resemble tattoos .. do you think there are similarities? What do you think of tattoos?

I like tattoos, would love to have one or two myself, but I can’t decide. After my mother passed I went on a vacation to Guadeloupe with my father. He gave me these wafer-thin, finely crafted golden hoops which I didn’t want to wear at first. Then my father died, too. I started wearing the hoops and only took them off to sleep, though not always. One day I lost one of them in a club. I didn’t want to walk around with just one earring, so I made a replacement, the same size – just the fine lines + embellishments I couldn’t replicate, and the gold foil wasn’t as thin either. At some point I lost the second earring, too, so I made another one. I was wearing these “replacement hoops” every day for 35 years. I haven’t since Covid-19.

When you got grounded you thought it would be counterproductive to use the time to study. Instead, you listened to music, Jimmy Hendrix, The Doors etc.. Some of their lyrics are now a part of your art! Would you say that rebellion is a part of your work? Is rebellion productive?

Absolutely, yes.

„The scream oft the butterfly” is one of my favorite lines because it is so paradoxical and unique: Who has ever heard a butterfly scream? If someone asks you to engrave something, do you like to be surprised or do you prefer lines that require a certain level of effort from the observer? An interpretation … irony? (is that ironic?) 

Robbie Williams has „Chacun a son Goût” tattooed as a necklace.

What were your first thoughts when you heard: “How are you? I am well, and you?”. We have talked about the fact that many people ask this question without listening, often launching into a monologue about their own lives without considering the other person, let alone showing any genuine interest how the other person is really doing. To this end you quote a line which summarizes some of the experiences of your exhibition opening: “Hi and Bye”. Does this attitude annoy you? Do you think we could face each other differently? Do we need a new language, new expressions?

Maybe? 

You have compared the steel props you use with letterpresses or typewriters. You place every letter individually, so the letters fluctuate, and every bracelet becomes one of a kind. But you also make mistakes: You once cut “Wiege” instead of “Liebe” (“cradle” instead of “love”) into silver. What happens with the piece in that case? Does this upset you or do you take it with humour?

That depends on the line, the person who wants it + and how much I get it wrong. “Never forget the cradle” was impossible to save. Vera, a friend of mine, thought it was so funny that I gave her the bracelet as a birthday gift.

How does you work and your art change over the course of time? You made your first bracelet many years ago. What changed since then? Do you still use the same materials? What part of the work is your most and least favorite?

The materials – silver and gold – have stayed the same. My favourite part is the cutting, seeing how the letters dance, the concentration it takes, to form a word out of metal with punches + hammers is something entirely different than writing it. You can revise the letter if it tilts too far to the left or right, but not if it’s too far up or down. Tap it once and the letter is in + you must check how it turned out. In that way, I communicate with each and every letter individually. 

 

Screenshot der digitalen Ausstellung mit laufenden Textbändern und Film / Screenshot of the digital exhibition with text run bands and film

 


Photo: Teresa Iten

 

Über GABI DZIUBA

Seit dem Studium an der Fachhochschule für Gestaltung Pforzheim und der Akademie der Bildenden Künste in München entwirft und fertigt Gabi Dziuba Schmuck.

Triviale Gegenstände und Moden erfahren Veredelung und Beständigkeit, indem sie als kostbare Einzelstücke, etwa aus Weißgold und Brillanten, neu geschaffen werden. Beeinflusst von persönlichen Eindrücken, sind Gabi Dziubas Schmuckstücke zugleich Ausdruck des zeitlichen und gesellschaftlichen Entstehungskontextes.

In regelmäßigen Kooperationen mit etablierten zeitgenössischen Künstlern entstehen in limitierter Auflage außergewöhnliche Objekte, welche die Grenze zwischen angewandter Kunst und autonomem Kunstwerk überschreiten.

Ihr Werk wurde zuletzt in der Ausstellung JEWELS in der Galerie Nagel Draxler zusammen mit Fotos und Malerei von Henning Strassburger in München gezeigt (Mai-Juni 2021). Gabi Dziubas Arbeiten wurden u.a. auch in der Galleria Civica di Modena (mit Christian Philipp Mueller), dem Neuen Museum Nürnberg (mit Hans-Jörg Mayer) oder dem Gemeentemuseum Den Haag (mit Günther Förg) ausgestellt.

Nach vielen Jahren als eine der Hauptakteure des Münchner Autorenschmucks lebt und arbeitet Gabi Dziuba seit 2009 in Berlin. Der Showroom DZIUBA JEWELS, ihre Werkstatt, wurde von Heimo Zobernig gestaltet.

 

ABOUT GABI DZIUBA

Gabi Dziuba has been designing and fabricating jewellery since her studies at Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim and Akademie der Bildenden Künste in Munich.

‍She recreates ordinary and ephemeral objects of every-day life or things in vogue with precious materials, such as white gold and diamonds, and so renders them into imperishable unique pieces. Gabi Dziuba’s jewellery is influenced by her personal observations and experiences, while at the same they bear witness to the historical and social context.

‍In addition to her own work, Gabi Dziuba regularly has co-operated with renowned artists and has issued limited editions of extraordinary objects transgressing the border between applied arts and crafts on the one hand, and autonomous artworks on the other.

‍Her work was presented recently in the exhibition JEWELS at Galerie Nagel Draxler together with photographs and paintings by Henning Strassburger in Munich (May-June 2021). Dziubas work was also shown at Galleria Civica di Modena (with Christian Philipp Mueller), Neues Museum Nuremberg (with Hans-Jörg Mayer) or at Gemeentemuseum Den Haag (with Günther Förg), just to name a few.

‍After having lived and worked in Munich as one of the major figures of the Munich author’s jewellery scene, she relocated to Berlin in 2009. The showroom of her workshop was designed by Heimo Zobernig.