FÜR WEN? FÜR ALLE
Interview mit der Schmuckkünstlerin Gabi Dziuba anlässlich der neuen Kollaboration GABI DZIUBA x CALDO "WIE GEHT'S?" "GUT, UND DIR?"
Interview geführt von Annabelle Ferlings im Januar 2022
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Photo: Daniel Mayer
Wie geht’s?
Gut, und Dir ?
Wie würdest du deine Werke beschreiben? Roh oder verspielt? Klassisch oder modern?
(Ich finde sie zeitlos) Für wen ist deine Kunst, hat jeder einen Zugang?
Du Findest sie zeitlos? Vielleicht weil ich mich mit der Zeit in der ich lebe, bewusst auseinandersetze.
Günther Förg sagte: „Der Martin Kippenberger und Du, ihr habt ein Gespür, der Zeit immer ein bisschen voraus zu sein“.
Für wen? Für alle.
Klassisch - modern er muss „tragbar“ sein + nicht zu laut - möchte keine tragbaren Kunstwerke machen. Aber vielleicht eine kleine Botschaft senden.
Wie meine Ohrringe „OH“ - links ein O rechts ein H - ganz klassische Ohrhänger + wenn jemand die Person anschaut, liest sie von links nach rechts OOOHHHHH. Dazwischen ist das Gesicht, der Kopf, die Haare, die Augen, der Mund, das Gesicht, der Kopf. OOOOHHHHH. Die Buchstabenform ist Rocky Horror Picture Show. Komischerweise können es viele nicht lesen.
Ich liebe Buchstaben, auch wenn sie fließen, schmelzen oder tropfen. Hab’ aber keinen Lieblings Typ.
Alle haben Zugang. In Berlin habe ich eine Werkstatt mit einem Showroom von Heimo Zobernig konzipiert in der Rosa-Luxemburg- Str. 25!
Falls ich nicht da bin, hängt eine Telefonnummer an der Tür wie bei Holly Golightly (Frühstück bei Tiffany) + Instagram „dziubajewels“.
Bevorzugst Du die Arbeit alleine oder arbeitest du auch mit andern Künstlerinnen und Künstlern?
Ich arbeite gerne alleine, bin auch gerne alleine - aber es ist spannend, mit jemandem zusammenzuarbeiten, mich interessiert, wie andere denken, was sie sagen, was sie gerne essen. Ob sie mit dem Fahrrad nach Usbekistan fahren und warum. Das bereichert mich.
Die Würde des Menschen ist unantastbar... Eine deiner ersten Gravuren, so essenziell und wichtig. Dieses Grundgesetz sollte allgegenwärtig und verinnerlicht sein. Täglich wird dieses Gesetz gebrochen. Glaubst du, Schmuck könnte uns an solche Werte im Alltag erinnern? Sollten wir vielleicht alle diesen Armreif tragen?
In den Vereinigten Staaten hat fast jeder eine Knarre in der Tasche + ich dachte so ein Armreif wäre auch nicht schlecht. Heute wird Respekt gefordert. Ich mag die Idee dieses Grundrecht am Arm zu tragen, könnte auch tätowiert sein, ist universell, betrifft jeden, braucht kein Gender Sternchen.
Deine Zeilen sind Statements ähnlich wie Tattoos...siehst du hier Gemeinsamkeiten?
Wie stehst du zu Tattoos?
Ich mag Tattoos, hätte auch gern eins oder zwei oder mehrere, aber kann mich nicht entscheiden. Nachdem meine Mutter gestorben ist, war ich mit meinem Vater auf Guadeloupe in Ferien. Er hat mir hauchdünne, feingearbeitete goldene Kreolen geschenkt; die wollte ich eigentlich nicht tragen. Dann ist auch mein Vater gestorben. Ich habe die Kreolen angezogen und nur noch zum Schlafen abgelegt + auch nicht immer. Irgendwann hab ich einen verloren in der Disco. Aber mit einem Ohrring wollte ich nicht herumlaufen, also hab ich mir einen Ersatz gemacht, gleiche Größe - nur die feinen Rillen + Verzierungen konnte ich nicht, und auch das Goldblech war nicht so dünn. Irgendwann war der 2. Creole auch weg, dann hab ich mir noch einen gemacht. Diese „Ersatzcreolen“ habe ich bestimmt 35 Jahre täglich getragen. Seit Corona nicht mehr.
Du hast gesagt, als du damals Hausarrest bekommen hast, wäre es kontraproduktiv, dann zu lernen. Stattdessen hast du Musik gehört, Jimmy Hendrix, The Doors usw., diese Zeilen sind nun Teil von einigen deiner Werke! Würdest du sagen, dass Rebellion ein Teil deiner Arbeit ist? Daß Rebellion produktiv ist?
Unbedingt (ja)
„The scream of the Butterfly“ ist eine Lieblingszeile, weil der Satz so gegensätzlich ist und besonders: Wer hat schon mal einen Schmetterling schreien hören? Wenn jemand etwas von dir gravieren lässt, möchtest du dann gerne überrascht werden bzw. findest du Sprüche besser, die eine Eigenleistung vom Betrachter erwarten? Eine Interpretation ... Ironie?
Robbie Williams hat „Chacun a son Goût“ als Halskette tätowiert.
Was waren deine ersten Gedanken zu dem Spruch: „Wie geht’s? Gut, und dir?“ Wir haben darüber gesprochen, dass viele Menschen diesen Spruch nutzen ohne wirklich zuzuhören, oft einen Monolog führen und nicht wirklich auf andere Personen eingehen oder gar Interesse daran haben, zu wissen wie es jemandem geht.
Du hast dazu auch einen Spruch genannt, der einige Erlebnisse von Ausstellungseröffnungen zusammenfasst ‘Hi and Bye’ - stört dich diese Attitüde? Wie könnte man sich anders begegnen? Brauchen wir neue Sprache/ Ausdrücke?
Vielleicht?
Du hast die Stahlstempel, die du nutzt, als Handwerk mit dem Buchdruck oder einer Schreibmaschine verglichen. Du setzt jeden Buchstaben einzeln, die Buchstaben schwanken daher und jeder Armreif ist ein Unikat. Aber du kannst dich auch verschreiben: Du hast mal Wiege statt Liebe in das Silber gehauen. Was passiert dann mit dem Reifen? Ärgerst du dich dann oder nimmst du das mit Humor?
Das hängt auch vom Spruch ab, von dem der ihn möchte + wie sehr ich mich verschreibe. „Vergesse nie die Wiege“ war unrettbar. Vera, eine Freundin, fand das so lustig, dass ich ihr den Armreif zum Geburtstag geschenkt habe.
Wie verändert sich deine Arbeit und Kunst im Laufe der Zeit? Vor wie vielen Jahren hast du deinen ersten Armreif gemacht und was hat sich seitdem geändert? Benutzt du immer die gleichen Materialien? Was macht dir am meisten Spaß, was nervt?
Das Material, Silber oder Gold, bleibt gleich.
Schön ist das Reinschlagen, wie die Buchstaben tanzen, die Konzentration, ein Wort aus einzelnen Buchstaben mit Punzen + Hammer in Metall zu schlagen, ist etwas ganz anderes als Schreiben. Man kann den Buchstaben korrigieren, wenn er zu stark nach links oder rechts kippt, aber nicht nach oben oder unten, einmal geklopft ist er drin + nach jedem Buchstaben schaut man wie er geworden ist. Ich unterhalte mich sozusagen mit jedem Buchstaben.
Photo: Teresa Iten
Über GABI DZIUBA
Seit dem Studium an der Fachhochschule für Gestaltung Pforzheim und der Akademie der Bildenden Künste in München entwirft und fertigt Gabi Dziuba Schmuck.
Triviale Gegenstände und Moden erfahren Veredelung und Beständigkeit, indem sie als kostbare Einzelstücke, etwa aus Weißgold und Brillanten, neu geschaffen werden. Beeinflusst von persönlichen Eindrücken, sind Gabi Dziubas Schmuckstücke zugleich Ausdruck des zeitlichen und gesellschaftlichen Entstehungskontextes.
In regelmäßigen Kooperationen mit etablierten zeitgenössischen Künstlern entstehen in limitierter Auflage außergewöhnliche Objekte, welche die Grenze zwischen angewandter Kunst und autonomem Kunstwerk überschreiten.
Ihr Werk wurde zuletzt in der Ausstellung JEWELS in der Galerie Nagel Draxler zusammen mit Fotos und Malerei von Henning Strassburger in München gezeigt (Mai-Juni 2021). Gabi Dziubas Arbeiten wurden u.a. auch in der Galleria Civica di Modena (mit Christian Philipp Mueller), dem Neuen Museum Nürnberg (mit Hans-Jörg Mayer) oder dem Gemeentemuseum Den Haag (mit Günther Förg) ausgestellt.
Nach vielen Jahren als eine der Hauptakteure des Münchner Autorenschmucks lebt und arbeitet Gabi Dziuba seit 2009 in Berlin. Der Showroom DZIUBA JEWELS, ihre Werkstatt, wurde von Heimo Zobernig gestaltet.